Musiknutzung
Musik spielt im deutschen Alltag eine größere Rolle als in manchen anderen Ländern. Die Bedeutung von Kurzvideo-Apps für das Musikhören nimmt zu. Jugendliche verbringen die Hälfte ihrer Musiknutzungszeit mit Audio-Streaming.
Menschen in Deutschland verbringen wöchentlich fast 1 Stunde mehr mit Musikhören als im internationalen Durchschnitt. Das zeigt der aktuelle „Engaging with Music“-Report von IFPI (International Federation of the Phonographic Industry), dem Dachverband des Bundesverbandes Musikindustrie (1). Die wöchentliche Musiknutzungszeit von 19,3 Stunden hierzulande entspricht 386 Songs von jeweils 3 Minuten Länge und 55 Songs täglich (2019: 54 Songs). Weltweit lag der Wert in der untersuchten Altersgruppe von 16 bis 64 Jahren bei durchschnittlich 18,4 Stunden.
Die Studie zum Hörverhalten von Menschen in 21 Ländern zeigt darüber hinaus Unterschiede in der Häufigkeit, mit der die einzelnen Plattformen jeweils zum Musikhören genutzt werden.
MEHR ALS EIN VIERTEL DER GEHÖRTEN MUSIK LÄUFT ÜBER PREMIUM-AUDIO-STREAMING-PLATTFORMEN
Von der wöchentlichen Zeit, die Musikfans durchschnittlich mit Musikhören verbringen, entfällt der größte Teil auf die Nutzung von Premium-Audio-Streaming. Das gilt sowohl im Durchschnitt der 21 untersuchten Länder (23 %) als auch für Deutschland: Mit rund 27 Prozent (Abb. 15) wird hierzulande inzwischen mehr als ein Viertel der mit Musik gefüllten Zeit auf diesen Plattformen verbracht. Damit wird Premium-, also bezahltes Audio-Streaming in Deutschland fast viermal so häufig genutzt wie die werbefinanzierte Variante (knapp 7 %).
Die am zweitstärksten genutzte Quelle für Musik ist hierzulande das Radio (Abb. 15), wozu auch reines Online-Radio zählt. Hierauf entfällt mehr als ein Fünftel der wöchentlichen Musiknutzungszeit (fast 22 %). Musik aus dem Radio spielt demnach bei uns weiterhin eine vergleichsweise große Rolle, während dieser Wert weltweit bei nur rund 16 Prozent liegt. Dahinter rangieren Video-Streaming-Plattformen: Jede fünfte "Musik-Minute" wird von in Deutschland lebenden Musikfans dort verbracht (knapp 20 %). Dies liegt nur knapp unter dem weltweiten Vergleichswert: Über alle untersuchten 21 Märkte betrachtet, beträgt der Anteil der Video-Streaming-Plattformen etwa 22 Prozent der wöchentlichen Musiknutzungszeit.
Rund 10 Prozent, also eine von zehn mit Musikhören verbrachten Minuten, entfallen in Deutschland auf gekaufte Musik, beispielsweise in Form von CDs, Vinyl oder Downloads. Das ist etwas mehr als im internationalen Vergleich (etwa 9 %). Musik über Kurzvideo-Apps wie beispielsweise TikTok oder Triller zu hören, macht rund 7 Prozent der wöchentlichen Musiknutzungszeit aus, den gleichen Wert erreicht werbefinanziertes Audio-Streaming. Damit werden diese Apps unter Musikfans in Deutschland seltener zum Musikhören verwendet als im Durchschnitt der untersuchten 21 Länder (11 %).
Im Vergleich zu den bisher genannten Arten des Musikhörens kommt Live-Musik im wöchentlichen Zeitbudget 2021 die geringste Bedeutung zu. Es ist davon auszugehen, dass sich hier in erheblichem Maß die pandemiebedingt abgesagten Konzerte ausgewirkt haben.
Doppelt so hoch, aber dennoch ebenfalls auf sehr niedrigem Niveau ist der Anteil der Musik, die über Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram gehört wurde (ca. 2 %). Andere Formen des Musikkonsums, beispielsweise Fernsehen oder On-Demand-Premium-Videodienste wie Netflix, kamen hingegen auf knapp 4 Prozent.
ABB. 15: Hörgewohnheiten in Deutschland in einer typischen Woche 2021
RADIO HAT BEI FRAUEN UND MÄNNERN EINEN UNTERSCHIEDLICHEN STELLENWERT
Im Nutzungsverhalten von Frauen und Männern lassen sich mit Blick auf die Formate einige Unterschiede feststellen (Abb. 16). Das gilt besonders für das Radiohören: Während darauf bei Frauen nach Angaben des „Engaging with Music“-Reports etwas mehr als ein Viertel der wöchentlichen Zeit des Musikhörens (26 %) entfällt, ist es bei Männern etwas weniger als ein Fünftel (19 %). Beim Musikkonsum über Video-Streaming hingegen erreichen Männer mit 21 Prozent der wöchentlichen Zeit einen etwas höheren Wert als Frauen (18 %). Bei gekauften Tonträgern und sonstigen Medien betragen die Unterschiede im Anteil der Musiknutzung jeweils 2 Prozentpunkte.
Die übrigen Medien kommen bei Frauen und Männern auf ungefähr gleiche Anteile. So nutzen beide Gruppen Audio-Streaming etwa in einem Drittel der Zeit ihres wöchentlichen Musikhörens. Bei Kurzvideo-Apps wie TikTok erreichen sie mit 10 bzw. 9 Prozent ebenfalls ähnliche Werte.
JUGENDLICHE VERBRINGEN DIE HÄLFTE IHRER MUSIKZEIT MIT AUDIO- STREAMING
Bei einer Differenzierung der Musiknutzung nach Altersgruppen statt nach genutzten Plattformen ergeben sich deutlichere Unterschiede. Dabei zeigen sich bei einigen Medien Nutzungspyramiden – die Nutzung eines Mediums nimmt mit dem Alter also sukzessive zu oder ab.
Letzteres ist beispielsweise beim Audio-Streaming der Fall: Bei Menschen zwischen 16 und 24 Jahren entfällt darauf fast die Hälfte des wöchentlichen Musikhörens (49 %) (Abb. 16). Mit jeder höheren Altersgruppe nimmt der Wert dann um etwa 5 Prozentpunkte ab, sodass die 55- bis 64-Jährigen im Durchschnitt noch ein Fünftel (20 %) der wöchentlichen Musikzeit mit Audio-Streaming verbringen.
Wenig überraschend ergibt sich ein solches Bild auch beim Musikhören über Kurzvideo-Apps wie TikTok und soziale Medien: Während die jüngste der erfassten Altersgruppen etwa 18 Prozent ihrer Musikzeit damit verbringt, liegt der prozentuale Anteil bei den 35- bis 44-Jährigen bei weniger als der Hälfte (8 %).
ABB. 16: Hörgewohnheiten in Deutschland Prozentuale Anteile des Musikhörens in einer typischen Woche nach Geschlecht und Alter 2021
Gegenläufig dazu stellt sich bei Medien wie Radio und gekauften Tonträgern die Nutzung wie eine umgekehrte Pyramide dar, mit gering ausgeprägter Nutzung in den jüngeren Altersgruppen und schrittweise zunehmender Nutzung in den jeweils älteren Altersgruppen. Beim Video-Streaming ergibt sich hingegen keines der beiden Muster: Die Altersgruppen nutzen mit 20 bis 22 Prozent Video-Streaming-Plattformen in einem ähnlichen wöchentlichen Umfang, lediglich die Onlinebevölkerung zwischen 55 und 64 Jahren liegt mit 16 Prozent darunter.
JE JÜNGER DIE HÖRER:INNEN, DESTO BELIEBTER WAR POP
Auch die musikalischen Vorlieben sind je nach Altersgruppe unterschiedlich (Abb. 17). So bevorzugten 2021 mehr als die Hälfte der 14- bis 24-Jährigen Pop/Poprock (51,3 %), mehr als in jeder anderen Gruppe. Auch Hip-Hop/Rap war hier mit 11,4 Prozent populärer als bei Älteren. Etwa jede:r Zehnte schwört außerdem entweder auf E-Gitarren oder Dance/Electro (jeweils 9,8 %). Pop-Oldies und Schlager sind im Vergleich dazu in der jüngsten Gruppe weniger populär, jedoch beliebter als Klassik, Rock-Oldies und volkstümliche Musik (Abb. 17).
ABB. 17: Musikrichtungen nach Geschlecht und Alter 2021
Auch unter den 25- bis 39-Jährigen war Pop/Poprock 2021 das meistgehörte Genre (36,3 %). Es folgten Rock/Hardrock/Heavy Metal (23,3 %, Abb. 17) und Dance/Electro (18,2 %), zugleich erreichten beide Genres in dieser Altersgruppe den jeweils höchsten Wert insgesamt. Auch Hip-Hop/Rap war bei ihnen mit 8,6 Prozent vergleichsweise beliebt, wenn auch weniger stark als bei den 14- bis 24-Jährigen. Andere Musikrichtungen spielten bei den 25- bis 39-Jährigen 2021 eine deutlich geringere Rolle.
Während Schlager bei den unter 40-Jährigen vergleichsweise wenig populär war, zeigte sich mit zunehmendem Alter eine steigende Beliebtheit. Bei den 40- bis 54-Jährigen sagte mehr als jede:r Zehnte, dass Schlager die beste Musikrichtung sei (13,9 %). Noch beliebter waren in dieser Altersgruppe Pop/Poprock (39 %) und Rock/Hardrock/Heavy Metal (18,2 %). Dance bzw. Electro wurde 2021 von etwa jede:r Zehnten bevorzugt gehört.
JE ÄLTER HÖRER:INNEN, DESTO BELIEBTER WAR SCHLAGER
Auch bei Musikfans zwischen 55 und 69 Jahren lag Pop 2021 vorne (26,4 %), wenn auch weniger deutlich als bei Jüngeren. An zweiter Stelle rangierte Schlager, der bei jede:r Fünften besonders beliebt war (20,8 %). Pop- und Rock-Oldies lagen hier nahezu gleichauf (16,8 bzw. 16,7 %), Rock/Hardrock/Heavy Metal als Genre stand bei etwa jede:r Zehnten an erster Stelle (9,6 %), während Dance und Klassik nicht einmal von jede:r Zwanzigsten genannt wurden.
Bei Menschen ab 70 Jahren war Schlager am populärsten (41,1 %). Klassik erreichte hier erstmals zweistellige Beliebtheitswerte, sie wurde von jede:r Fünften als bevorzugte Musikrichtung angegeben (19,8 %). Ebenfalls beliebt waren Pop- und Rock-Oldies (11,2 % bzw. 10,1 %). Volkstümliche Musik (6,2 %) und Jazz (4,1 %) erreichten in dieser Gruppe die insgesamt höchsten Popularitätswerte.
Über die Altersgruppen hinweg betrachtet und mit Blick auf die Geschlechter stand 2021 bei Frauen besonders Pop/Poprock hoch im Kurs. 38,4 Prozent von ihnen gaben es als ihre bevorzugte Musikrichtung an, gefolgt von Schlager (18,8 %). Andere Musikrichtungen wie beispielsweise Pop-Oldies (9,9 %) oder Rock (8,6 %) waren der Umfrage zufolge bei fast jeder zehnten Frau besonders beliebt.
Auch bei Männern war Pop/Poprock die am liebsten gehörte Musikrichtung, mit einem Wert von 27,8 Prozent allerdings weniger stark ausgeprägt als bei Frauen. Verzerrte E-Gitarren erfreuten sich dafür mehr als doppelt so hoher Beliebtheitswerte (19,1 %) und wurden damit von fast jedem fünften Mann als beste Musikrichtung bezeichnet. Auch Dance/Electro war bei mehr als doppelt so vielen Männern das bevorzugte Genre (11,7 %). Was bei den Frauen die Pop-Oldies waren, waren mit 9,6 Prozent bei den Männern die Rock-Oldies.
JIM-STUDIE 2021: MUSIK BLEIBT EINE DER WICHTIGSTEN FREIZEITBESCHÄTIGUNGEN VON JUGENDLICHEN
Den hohen Stellenwert, den das Musikhören gerade für junge Menschen zwischen 12 und 19 Jahren hat, belegt die JIM-Studie (2), wonach Musik in deren Alltag ein zentrales Element ist: Musik „dient der Identitätsfindung und Abgrenzung ebenso wie der Regulierung und dem Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen“. Musikhören (92 %) gehörte auch 2021 nach der Internetnutzung (95 %) und der Nutzung eines Smartphones (95 %) zu den drei wichtigsten regelmäßigen medialen Freizeitbeschäftigungen.
Die drei von Jugendlichen am stärksten genutzten Wege zur Musik sind der JIM-Studie zufolge Spotify, Radiosender sowie YouTube. „Musik wird nur noch von wenigen Jugendlichen über traditionelle Tonträger wie CD oder Vinyl konsumiert“, wird außerdem festgestellt. Dies deckt sich hinsichtlich der Korrelation von Alter und Nutzung gekaufter Tonträger mit der Nutzungscharakteristik in Form der umgekehrten Pyramide (Musikindustrie in Zahlen 2021, Abb. 16).
IFPI 'ENGAGING WITH MUSIC REPORT': MUSIK WICHTIG FÜR ALLE ALTERSGRUPPEN, KURZVIDEODIENSTE WIE TIKTOK LEGEN ZU, HERKÖMMLICHE METHODEN DES MUSIKHÖRENS BLEIBEN RELEVANT
Die Bedeutung von Musik im Alltag der Menschen ist auch unabhängig vom Alter unverändert hoch, was nach dem „Engaging with Music“-Report von IFPI, s.o., gerade während der Zeit der Pandemie zum Tragen gekommen ist: 85 Prozent der in Deutschland für die Studie Befragten gaben an, Musik habe in dieser Phase ihr Wohlbefinden gesteigert, drei Viertel sagten, sie habe ihnen zu einem Gefühl von Normalität verholfen.
Gleichzeitig hat die Nutzung von Kurzvideodiensten in den vergangenen zwei Jahren einen Schub bekommen: Seit 2019 hat sich die Reichweite der TikTok-App weltweit verzehnfacht, allein in Deutschland gaben 68 Prozent der Studienteilnehmer:innen an, die entsprechende App während der Pandemie heruntergeladen zu haben. Daneben bleiben aber auch nach dieser Studie herkömmliche Methoden des Musikhörens wie das Radio (74 Prozent hören nach eigenen Angaben Radio in erster Linie wegen der Musik), die Schallplatte oder die CD wichtig.
Fußnoten:
(1) Der „Engaging with Music“-Report ist eine in regelmäßigen Abständen von IFPI durchgeführte Untersuchung. Für die aktuelle Ausgabe wurden weltweit insgesamt 43.000 Menschen zwischen 16 und 64 Jahren in 21 der weltweit führenden Musikmärkte zu ihrem Nutzungsverhalten befragt.
(2) Die JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) untersucht bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten den Medienalltag Jugendlicher in Deutschland. Für die JIM-Studie 2021 wurde bundesweit im Zeitraum vom 1. Juni bis 11. Juli 2021 eine repräsentative Stichprobe von 1.200 Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren befragt.