MUSIKHANDEL
Fast 94 Prozent der Umsätze mit Musikaufnahmen wurden 2021 online generiert. Das hat bei den fünf umsatzstärksten Musikhändlern zu einer deutlichen Veränderung geführt, die auch einen historischen Einschnitt in der Handelsstruktur markiert.
Immer weniger Branchenumsatz wird mit Tonträgern im stationären Handel, also in Ladengeschäften, erzielt. Von 100 Euro waren es 2021 nur noch 6,50 Euro gegenüber rund 10 Euro im ersten Pandemiejahr 2020 (Abb. 20).
ABB. 20: Umsatzanteile der Vertriebsschienen am Musikverkauf 2012 – 2021
Damit hat sich eine bereits länger andauernde Entwicklung fortgesetzt. Vor zehn Jahren generierte der Verkauf von Musik in Ladengeschäften mit 52,50 Euro von 100 Euro noch mehr als die Hälfte der Umsätze. Innerhalb der vergangenen drei Jahre ist die wirtschaftliche Bedeutung des stationären Handels dann um etwa zwei Drittel zurückgegangen (Anteil 2018: 19,7 %). Es ist davon auszugehen, dass hierzu auch die pandemiebedingten zeitweisen Schließungen der Geschäfte seit dem Frühjahr 2020 beigetragen haben.
Der Verkauf von physischen Tonträgern wie Vinyl oder CDs über das Internet lag 2021 demgegenüber mit 18,3 Prozent zwar noch ähnlich hoch wie 2020 (19,3 %). Doch verzeichnet auch dieser Bereich seit 2016 einen kontinuierlich abnehmenden Anteil am Musikumsatz, wobei die Abwärtsbewegung im Vergleich zur Entwicklung im stationären Handel in weniger großen Schritten erfolgt.
Während der Anteil der beiden genannten Vertriebsschienen am Gesamtumsatz also gesunken ist, hat die wirtschaftliche Bedeutung des Onlinekaufs digitaler Formate entsprechend zugenommen. Hierzu zählt vor allem das Audio-Streaming, dessen anhaltender Aufschwung (siehe Kapitel „Umsatz“) sich hier auch an dieser Stelle bemerkbar macht, während Downloads wirtschaftlich eine immer geringere Rolle spielen.
2021 wurden 75 Prozent der Einnahmen mit Musikaufnahmen über den Onlinekauf digitaler Formate erzielt. Das entspricht einem Plus von 4,6 Prozentpunkten im Vergleich zu 2020. Diese Vertriebsschiene ist damit mehr als doppelt so relevant für die wirtschaftliche Bilanz der Branche wie noch 2016 (36,4 %, Abb. 20).
Bei Betrachtung des gesamten Onlinegeschäfts, also der Einnahmen aus digitalen Formaten und aus dem Verkauf physischer Tonträger über das Internet, wurden 2021 9,35 Euro von 10 Euro Musikumsätzen online erzielt. Damit hat sich die Bedeutung der im digitalen Raum generierten Umsätze innerhalb der vergangenen zehn Jahre nahezu verdoppelt (Anteil 2012: 4,75 €).
NUR DIGITALHÄNDLER ERZIELTEN UMSATZPLUS
Das nahezu gesamte Onlinegeschäft verteilte sich auf die zwei Handelsformen Digitalhändler und E-Commerce (Abb. 21).
ABB. 21: Umsatzanteile der Handelsformen am Musikverkauf 2012 – 2021
Nur reine Digitalhändler wie Spotify, Apple Music, Amazon Music oder Deezer konnten dabei 2021 Wachstum aufweisen (+6,5 %). Sie haben damit ihren Marktanteil von 70,6 auf 75,2 Prozent gesteigert. Die zweitwichtigste Säule für den Musikverkauf in Deutschland blieb E-Commerce. 2021 trug er allerdings nur noch 18,3 Prozent zum Umsatz bei, ein Minus von 4,5 Prozent im Vergleich zu 2020. Seinen Spitzenwert verzeichnete der E-Commerce 2015 mit 31,9 Prozent.
Die sechs anderen Handelsformen waren 2021 zusammen für den verbleibenden Anteil von 6,5 Prozent an den Tonträgerumsätzen verantwortlich. Bei ihnen zeigt sich der anhaltende Rückgang der Tonträgerverkäufe im stationären Handel besonders deutlich.
Drastisch sank 2021 die Bedeutung der Elektrofachmärkte für den Musikverkauf: Sie sind für die Umsätze der Branche wirtschaftlich betrachtet noch etwa halb so relevant wie 2020. Statistisch gesehen trugen sie zuletzt nur 21 Cent von 10 Euro Tonträgerumsätzen bei, während es 2020 noch 40 Cent waren. Der Wert von 2021 markiert den vorläufigen Tiefpunkt in der Entwicklung seit 2012, als Elektrofachmärkte noch für rund 2,50 Euro von 10 Euro und damit für ein Viertel der Musikumsätze verantwortlich waren (Abb. 21). Dennoch waren Elektrofachmärkte die wichtigste stationäre Handelsform.
Ihnen folgten Drogeriemärkte mit einem Marktanteil von 1,7 Prozent oder 17 Cent von 10 Euro Musikumsätzen. Das ist mehr als ein Fünftel weniger als noch 2020 (–22,2 %). Einen noch stärkeren Rückgang verzeichnete der Lebensmitteleinzelhandel mit einem Rückgang um etwas mehr als ein Drittel (–35,9 %). Damit wurde in Supermärkten 2021 noch 1 Prozent bzw. 10 Cent von 10 Euro Musikumsätzen erzielt.
Auch der Umsatzanteil des Medienfacheinzelhandels, des Buchhandels und sonstiger Händler verringerte sich innerhalb eines Jahres um Werte zwischen einem Viertel und mehr als einem Drittel. Diese drei Handelsformen erreichten 2021 nur noch einen Marktanteil von jeweils unter 1 Prozent der Tonträgerumsätze.
MEDIAMARKTSATURN IST NICHT MEHR UNTER DEN FÜNF STÄRKSTEN UMSATZBRINGERN
Die Verschiebung der Musikverkäufe weg vom stationären hin zum Onlinehandel macht auch vor großen Namen nicht halt. So zählte 2021 MediaMarktSaturn erstmals nicht mehr zu den Top 5 der umsatzstärksten Musikhändler in Deutschland – ein historischer Einschnitt in der Handelsstruktur.
Stattdessen rückte der Streaming-Anbieter Deezer und damit einer der Onlinehändler auf. Die Top 5 des Jahres 2021 bilden mit Spotify, Amazon, Apple, JPC und Deezer ausschließlich Unternehmen, die den Handelsformen Digitalhändler oder E-Commerce zuzurechnen sind.
ABB. 22: Top 5 Musikhändler in 2021 in alphabetischer Reihenfolge
SCHUTZ DES MUSIKMARKTS UND DER OFFIZIELLEN DEUTSCHEN CHARTS GEGEN MANIPULATION HAT HÖCHSTE PRIORITÄT
Auch im Bereich des Musikstreamings wird gelegentlich versucht, den eigenen Markterfolg mit illegalen Mitteln positiv zu beeinflussen und beispielsweise die Position eines Songs oder eines Albums in den Offiziellen Deutschen Charts zu verbessern. Die Charts sind für die Branche wie für die Fans ein wesentliches Messinstrument für die Performance am Markt. Ihre Verlässlichkeit und Aussagekraft sicherzustellen, hat für den Bundesverband Musikindustrie als Auftraggeber der Ermittlung daher höchste Priorität. Manipulationen schaden den Künstler:innen und ihren Partnern, sie gefährden die Genauigkeit der Tantiemenzahlungen und die Glaubwürdigkeit dieses wichtigen Branchenbarometers.
Der BVMI geht seit mehreren Jahren konsequent und erfolgreich auch gerichtlich gegen wettbewerbswidrige Beeinflussungen der Charts vor. 2021 erwirkte er in einem Eilverfahren vor dem Landgericht Frankfurt, dass dem Betreiber der Streaming-Manipulation-Websites likeservice24.de und likeservice24.com die Erzeugung zusätzlicher Plays, Views, Likes und Abonnent:innen für Musik auf kommerziellen Online-Media-Plattformen als Dienstleistung untersagt wurde. Vergleichbare Angebote hatten unter anderem bereits im August 2020 in vom BVMI geführten Verbandsverfahren die Landgerichte Berlin, Darmstadt, Bremen, Hamburg und Köln untersagt, die Betreiber von socialnow.de, von socialgeiz.de und likergeiz.de, von netlikes.de sowie von likesandmore.de mussten ihren Dienst einstellen. Im März 2020 hatte der BVMI bereits eine Unterlassungsverfügung gegen followerschmiede.de vor dem Landgericht Berlin erreicht.
Diese Verfahren sind Teil der Strategie der Musikindustrie, aktiv gegen Streaming-Manipulation vorzugehen. Im Sommer 2019 haben sich der BVMI und sein internationaler Dachverband IFPI gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen einer breiten Industriekoalition zu Bekämpfung von Streaming-Manipulationen angeschlossen. Hinter dem „Code of Best Practice“ stehen Labels, Verlage, Online-Plattformen und Künstler:innenorganisationen. Ziel ist, Streaming-Manipulationen zu erkennen, zu verhindern und ihre Auswirkungen auf den Musikmarkt einzudämmen.