DURCHSETZUNG VON RECHTEN

  • Eindämmung von illegalen Plattformen

    Um die legalen Märkte zu schützen, ist ein zentrales Thema die Eindämmung illegaler Verbreitungs- und Nutzungswege, weil diese die Refinanzierbarkeit von Investitionen der Musikfirmen verhindern. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, sich mit den technischen Entwicklungen zu beschäftigen, um auch die dahinter liegenden wirtschaftlichen Strukturen zu erfassen – und damit die Notwendigkeit einer strategischen Prozessführung.

     

    Während die Musikbranche in 1999 etwa 2,3 Millarden Euro in Deutschland umsetzte, ist der globale Tonträgermarkt zwischen 1999 und 2012 um 40 Prozent geschrumpft. Dieser Trend hat sich seit 2013 glücklicherweise gedreht. Der Gesamtumsatz liegt in 2021 bei 1,96 Milliarden Euro in Deutschland. Seit 2021 werden dabei mehr als drei Viertel des Umsatzes auf digitalem Weg erzielt. Ein Erfolg, der wesentlich auf dem Mix eines verbesserten digitalen Angebots musikalischer Inhalte beruht und zahlreiche Rechtsverfahren zurückzuführen ist, die für eine gewisse Generalprävention sowie eine verbesserte Rechtssicherheit durch Klärung zahlreicher Rechtsfragen sorgt.

  • Historie

    Die Musikindustrie war die erste Branche, die von massenhaften Rechtsverletzungen betroffen war. Seit die Bandbreiten immer größer und die Speichermedien immer potenter geworden sind und seit insbesondere auch viele andere Rechteinhaber:innen die großen Chancen der Digitalisierung nutzen, haben sich in die Gruppe der Geschädigten viele andere Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft eingereiht: Film-, Buch-, Software-, Fernseh- und Games-Industrie stehen vor dem Hintergrund massenhafter Rechtsverletzungen vor ähnlichen Herausforderungen wie die Musikindustrie. Seine Begründung findet dies vor allem in der „Vulnerabilität des Werkes durch die Digitalisierung“. Erfreulicherweise ist in Deutschland in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang der Internetpiraterie zu verzeichnen.

     

    Die Etablierung legaler Musikdienste deckt den Bedarf von immer mehr Musikkonsument:innen auf sichere und nutzerfreundliche Art und Weise und hat dadurch die Internetpiraterie zuletzt mehr und mehr zurückgedrängt. Gleichwohl bleibt das Phänomen weiterhin evident.

     

    Der BVMI setzt sich für die Durchsetzung der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte seiner Mitglieder ein und weist dabei insbesondere auf die im Urhebergesetz vorgesehenen rechtlichen Werkzeuge hin. Neben der Möglichkeit einer strafrechtlichen Sanktionierung (§§ 106 ff. UrhG) von Urheberrechtsverletzungen ist die zivilrechtliche Durchsetzung der Ansprüche bei Rechtsverletzungen ein wichtiges Instrumentarium. Zentral ist der Anspruch auf Unterlassung der Rechtsverletzung und Schadensersatz gemäß § 97 UrhG. Mögliche Anspruchsgegner sind nach § 97 UrhG Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe.

     

    Da jedoch nicht alle Sachverhalte damit abgedeckt werden können, wurde die „Störerhaftung“ etabliert, wonach auch Intermediäre haften. Der Auskunftsanspruch gem. § 101 UrhG ist ebenfalls ein zentrales Element zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. Denn erst durch den Auskunftsanspruch wird der Rechteinhaber/die Rechteinhaberin in die Lage versetzt, den Rechtsverletzter/die Rechtsverletzerin zu identifizieren. Problematisch bleibt hierbei, dass die durch Gerichtsbeschluss zur Auskunft verpflichteten Diensteanbieter oftmals nur unzureichend Auskunft erteilen.

     

  • Haftung & Verantwortung

    Host-Provider: Host-Provider stellen fremde Inhalte auf ihren Servern für andere Nutzer bereit, wie z.B. YouTube, Instagram und DropBox. Bereits 2013 hat der BGH in zwei Entscheidungen gegen Rapidshare eine "Notice-and-Staydown"-Verpflichtung für Host-Provider als Störer etabliert (vgl. BGH, Urt. v. 15.8.2013 - I ZR 80/12 - File-Hosting-Dienst; BGH, Urt. v. 12.7.2012 - I ZR 18/11 - Alone in the Dark). Danach ist der Host-Provider ab Kenntnis verpflichtet, die urheberrechtsverletzenden Inhalte unverzüglich zu entfernen und angemessene proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Rechtsverstöße zu verhindern. In seinen wegweisenden Entscheidungen in Sachen „YouTube“, „Uploaded II“ und „Uploaded III“ hat der BGH 2022 die Täterhaftung für Betreiber von Sharehosting-Plattformen etabliert, die anstelle der „Störerhaftung“ tritt (vgl. BGH, Urteile vom 2. Juni 2022, Az. I ZR 140/15, I ZR 53/17 und I ZR 135/18). Danach begeht der Betreiber einer Sharehosting-Plattform unter bestimmten Voraussetzungen selbst eine Rechtsverletzung. Die Haftung bezieht sich auf die Pflicht, rechtzeitig zu sperren und Vorsorge zu tragen, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen an dem geschützten Werk/an der geschützten Leistung kommt. Im Gegensatz zum Störer, der auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen weden kann, haftet der Störer auf Schadensersatz, Unterlassung und Auskunft.  Bereits der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung zu „The Pirate Bay“ (EuGH, Urt. v. 14. Juni 2017, C-160/15) festgestellt, dass Provider von Filesharing-Plattformen täterschaftlich in Verantwortung gezogen werden können.

     

    Access-Provider: Access-Provider vermitteln als Anbieter den Zugang zum Internet, wie z.B. Vodafone und die Deutsche Telekom. Grundsätzlich können Access-Provider unmittelbar im Rahmen der Störerhaftung in Anspruch genommen werden. Diese Vermittler sind, so der BGH, oftmals am besten in der Lage, Urheberrechtsverletzungen über das Internet ein Ende zu setzen. In der Praxis gibt es zahlreiche Host-Provider, die sich darauf spezialisiert haben, Webseiten ihrer Kunden dem Zugriff der Rechteinhaber durch Anonymisierung zu entziehen. Regelmäßig verfügen Webseiten mit überwiegend illegalen Inhalten und deren Hostprovider über kein Impressum, so dass die Rechtsdurchsetzung gegenüber diesen Diensten schwierig bzw. nahezu unmöglich ist. In solchen Konstellationen erscheint eine gerichtliche Verpflichtung des Access-Providers zur Dekonnektierung der illegalen Seite das letzte Mittel. In vielen europäischen Ländern ist es mittlerweile gängige rechtliche Praxis, dass ISPs grundsätzlich gerichtlich verpflichtet werden können, Websites wie ehemals Kino.to zu sperren. Auch der BGH hat eine grundsätzliche Haftung des Access-Providers als Störer anerkannt (BGH, Urteil v. 26. November 2015, Az. I ZR 174/14). Doch entschied der BGH, dass der Acces-Provider als Störer nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten haftet, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, wie ein in der Europäischen Union ansässiger Host-Provider (BGH, Urteil v. 13. Oktober 2022, Az. I ZR 111/21).

  • Sonderfall Streamripper

    Es gibt Internetdienste, die ihr Geschäftsmodell darauf aufgebaut haben, unter (vermeintlicher) Ausnutzung der Privatkopienschranke des § 53 UrhG ihren Nutzern eine Software zum Kopieren von Musik zur Verfügung zu stellen. Diese Angebote werden als Streamripper bezeichnet. Es ist oftmals für den Nutzer nicht eindeutig zu erkennen, ob es sich hierbei um einen „echten“ Mitschneidedienst handelt, durch den der Nutzer eine eigene Kopie selbst herstellt, oder um ein „verdecktes“ Downloadangebot. Letzteres verstößt gegen das Recht des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß §§ 16, 19 a UrhG und ist gemäß § 106 UrhG strafbar. Nur in strengen Ausnahmefällen kann sich der Nutzer auf die Privilegierung des § 53 UrhG berufen (vgl. Privatkopie). Letztlich handelt es sich um Dienste, die keinerlei Lizenzen erwerben und die Künstler und ihre Partner nicht am Gewinn partizipieren lassen. Wir nennen sie Schranken-Schmarotzer. Zwar hat der BGH in einem jüngeren Urteil entschieden, dass allein der Kunde als Hersteller einer Privatkopie anzusehen ist, wenn die Vervielfältigung eines Musikstücks unter Nutzung einer vollständig automatisierten Vorrichtung des Anbieters eines Internet-Radiorecorders angefertigt wird (BGH, Urteil v. 5. März 2020, Az. I ZR 32/19). Doch dauern einige Verfahren und Rechtsstreitigkeiten immer noch an.

  • Streaming-Manipulation

    Die Eindämmung von Streaming-Manipulation ist ein zentrales Anliegen der Branche. Betreiber:innen von Streaming-Manipulation manipulieren gegen Bezahlung das Streaming von Musiktiteln durch computergenerierte „Bots“ oder händisch (z.B. Klickfarmen, Klickcafés, gehackte Accounts), um auf illegale Weise das Chart-Ranking zu verbessern und Lizenzzahlungen zu generieren. Es handelt sich also um jede Verzerrung des Chart-Rankings und/oder die Einflussnahme auf Lizenzzahlungen, die auf künstlichen Eingriffen von außen beruhen und die sich (hinsichtlich des Inhalts und/oder der Abrufe) nicht auf die (übliche) Aktivierung von Nutzer:innen zurückführen lassen. Hier besteht auch eine Abgrenzung zur legitimen Promotion. Die Streaming-Manipulation, die bewusst im Bereich jenseits der Charts Inhalte- und Abruf-Manipulation vornimmt, wird als „Long-Tail Streaming-Fraud“ bezeichnet.

     

    In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren hierzu vom BVMI eine Vielzahl von Verfahren geführt, die zu dem folgenden Ergebnis führten: Anbieter von Streaming-Manipulation sind nach § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Das entgeltliche „künstliche“ Generieren von Plays, Likes, Followern und Kommentaren stellt nämlich eine irreführende geschäftliche Handlung i. S. d. § 5 Abs. 1 UWG dar und ist damit unlauter.

     

    Ein solches rechtliches Vorgehen gegen wettbewerbswidrige Streaming-Manipulationen ist aber nur möglich, wenn der jeweilige Betreiber/die jeweilige Betreiberin der Streaming-Manipulationen auch bekannt ist. Stichprobenartige Nachforschungen von GfK weisen darauf hin, dass solche Händler-Manipulationen anhand von bestimmten Daten und Merkmalen der gestreamten verdächtigen Tracks identifiziert werden können.