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Sigrid Herrenbrück
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Wir brauchen digitale Nachhaltigkeit

Vor dem Hintergrund einer durch die Digitalisierung immer temporeicher werdenden Welt ist das Thema „Nachhaltigkeit“ ein Schlüsselbegriff. Nachhaltigkeit adressiert Werte und ihren Erhalt. Werte, die im digitalen Zeitalter flüchtiger zu werden scheinen, weil vieles in unserem Alltag nicht mehr physisch, nicht mehr tatsächlich greifbar ist. Gerade deshalb ist eine Debatte über die Digitalisierung  und ihre gesellschaftliche Nachhaltigkeit genau jetzt besonders dringlich. Mit  Blick auf die Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft, deren Kerngeschäft Werte im Sinne von Inhalten sind, ist diese Debatte von besonderer Bedeutung, sie kann und sollte in der Diskussion deshalb eine führende Rolle einnehmen.  Denn die inhaltlichen und ökonomischen Werte, die die Kreativbranchen produzieren, von Zeitung und Buch über die Musik bis zu Computerspiel und Film, sind Abbild des gesellschaftlichen Aggregatzustandes und sind zugleich von dessen ökonomischen und kulturellen Auswirkungen betroffen.


Die Versprechen des Internet, die Möglichkeiten des digitalen Raums, sie waren äußerst verlockend  und sind es an vielen Stellen immer noch: Eine neue Technologie – die digitale Technologie – verändert über ihre mediale Ausprägung – das Internet – die Gesellschaft. Überall Demokratie und in neuer Qualität, Kommunikation auf Augenhöhe, Teilhabe und Gerechtigkeit, Zugang zu Wissen und Information für – potenziell – alle.  


Doch kennen wir inzwischen auch die Nebenwirkungen zur Genüge. Die Flut von an Banalität schwer zu überbietenden Alltagsmitteilungen ist dabei eine vielleicht lästige, aber unproblematische Erscheinung. Gesellschaftliche Spaltkraft birgt dagegen, das haben alle inzwischen erkannt, die neue Qualität verbaler Aggression, die nicht nur der sogenannten Online-Netiquette widerspricht, sondern genauso der Etiquette, den Offline-Verhaltensregeln.


Mit dem und durch das Internet ist eine neue Form vom Umgang miteinander entstanden. Das spricht nicht gegen „das Internet“ oder „die Digitalisierung“. Es zeigt aber immer deutlicher, dass die Annahme von zwei Welten, der analogen und der digitalen, mit der Zeit nicht richtiger, sondern immer klarer falsch ist. Die digitale Welt ist integraler (Bestand-)Teil unserer Welt, die wir gestalten müssen und dies mit einem neuen Bewusstsein für eine Kultur von Verantwortung und Nachhaltigkeit. Das, was wir online äußern, hat konkrete Auswirkungen auf gesellschaftliche, auf ökonomische  und auf kulturelle Prozesse offline.


Die Grenzen des im Sinne unserer gesellschaftlichen Werte respektvollen Umgangs miteinander werden immer häufiger zwar online verschoben, die Folgen der Verschiebung sind aber offline mindestens so deutlich spürbar. Im Umkehrschluss heißt das: Wir brauchen gesellschaftliche Regulative für unsere eine, für die on-off-line Welt, die das Leben, Arbeiten, Lernen im Digitalen Raum möglichst zum Wohle aller gestalten und gleichzeitig die vielen Chancen der Digitalisierung ausschöpfen. Diese Regulative müssen so nachhaltig ausgestaltet sein, dass sie in den zentralen gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Bereichen für Stabilität sorgen und unsere Gesellschaftsordnung im Kern erhalten.


Dazu gehört auch, deutlich klarzustellen, und auf diesen Zusammenhang kann man offenbar nicht oft genug hinweisen, dass kreative Inhalte im Netz nicht weniger ökonomischen Wert besitzen oder weniger Investitionen bedeuten als „früher“ in der rein analogen Welt. Auch in diesem Bereich ist es entscheidend, eine (weitere) Wertverschiebung online, zu Ungunsten der Kultur- und Kreativwirtschaft on- wie offline,  zu verhindern. Eine enorme Herausforderung in einer Welt, in der wir ständig und überall Zugriff auf unfassbar viel kreativen Content haben, von dem ebenso unfassbar viel kostenlos zu nutzen ist. Hier dürfen wir deshalb nicht weiterhin Rahmenbedingungen zulassen, die auf dem Content-Auge blind sind und einigen Partnern – den Online-Plattformen – Privilegien zugestehen, die ein Ungleichgewicht im Markt auf Kosten der Kreativen und ihrer Partner erzeugen.


Wir müssen in allen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereichen ein Bewusstsein für den tatsächlichen Wert kreativer Inhalte schaffen, um diesen Wert, konkret ökonomisch wie übergeordnet gesellschaftlich, auch langfristig zu erhalten. Wir brauchen digitale Nachhaltigkeit.