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Sigrid Herrenbrück
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Versachlichung der Urheberrechtsdebatte, Start eines BVMI-Music Founders' Breakfast und Aufruf zur Wahlbeteiligung

Die Keynote von Florian Drücke

KULTURKONFERENZ 2019

 

Keynote Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) 

 

Sehr geehrter Herr Senator Brosda, lieber Carsten,

liebe Vorstandskollegen,

liebe Mitglieder,

liebe Gäste,

 

zunächst einmal: vielen Dank für eure Gastfreundschaft und deine Worte, lieber Carsten!

 

Es ist mittlerweile ja längst bekannt, dass Carsten Brosda ein sehr guter Redner ist – nach ihm zu sprechen, ist daher stets at least challenging…  Inhaltlich übernehme ich den Staffelstab direkt, denn du hast in deinem Vortrag noch einmal sehr überzeugend dargelegt, dass und warum die Musikwirtschaft ein handfester wirtschaftlicher Standortfaktor ist. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund ist es unbedingt lohnend, für sie die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen!

 

In dieser Mission haben wir uns in diesem Kreis im vergangenen Jahr, kurz vor Beginn des heißen Abstimmungssommers zur Urheberrechtsrichtlinie, in der Französischen Botschaft getroffen, um noch einmal gemeinsam mit den Franzosen ein Signal zur Schließung des Value Gap zu senden. Weil wir der Meinung waren, dass es hier besonders auf Deutschland und Frankreich ankommt.

 

Seitdem ist viel passiert.Und hier spreche ich nicht vom ECHO-Desaster unmittelbar nach der Konferenz, viele von Ihnen haben es aus nächster Nähe verfolgt und kennen die verschiedenen Facetten.

 

Nein, viel passiert ist auch und vor ALLEM mit Blick auf die europäische Urheberrechtsreform, die uns seit Langem beschäftigt. Kurz vor den Sommerferien haben wir alle uns intensiv (und schon zu diesem Zeitpunkt von hitzigen Debatten begleitet) mit einer Vielzahl von Änderungsvorschlägen an der Richtlinie befasst.

 

Am 5. Juli reichte es für das Mandat des Berichterstatters Axel Voss bekanntlich nicht. Viele wähnten das Projekt am Ende. Jedoch: Nach einem riesigen Kraftakt mit unseren Verbündeten – in der Branche, die sehr geschlossen agiert hat, und darüber hinaus – im Austausch über diverse Urlaubsorte hinweg, ist die Parlamentsabstimmung am 12. September tatsächlich im Sinne ihrer Befürworter ausgegangen.

 

Auch im Umfeld dieser zweiten Abstimmung gab es, weit mehr noch als bei der ersten, zunehmend mediale und öffentliche Aufmerksamkeit, wurde von den Gegnern mit Ungenauigkeiten und recht fragwürdigem Spin Panik geschürt, wurden Abgeordnete mit Massenmails und Anrufen zugespamt undundund. 

 

Im Rückblick aber war dieser letzte Sommer nur der Prolog für einen regelrechten Krimi im Ringen um Interpretationshoheit in den vergangenen Monaten, weiterhin gestört durch gezielte Kampagnen, teils sogar von Google mitfinanziert, die dazu geführt haben, dass der Begriff „Upload-Filter“ inzwischen dem „Chlorhühnchen“ Konkurrenz macht.  Verwünschungen, Fake News, Bomben- und sogar Morddrohungen – wenn es um die Bekämpfung eines Urheberrechtspakets geht, das der Kultur- und Kreativwirtschaft die Fortexistenz im digitalen Zeitalter ermöglichen soll, wird der Ton sehr rau. „Governance by shitstorm“ nannte Axel Voss das neulich.

 

Dennoch hat sich eine Mehrheit im EU-Parlament nicht einschüchtern lassen und vor zweieinhalb Wochen, am 26. März, in der letzten Abstimmung noch einmal eine sehr klare Botschaft in die Welt gesendet: Die (aktiven) digitalen Plattformen müssen stärker in die Verantwortung genommen werden – gerade auch bei der Lizenzierung urheberrechtlich geschützter Inhalte.

 

Wo stehen wir bei all dem nun heute als Branche? Dazu wollte ich ja sprechen. Die Branche steht 2019 auf einem fester werdenden Sockel des Digitalmarkts. Wir spüren global den Aufwind, in Deutschland aber nur zum Teil auch in den Segeln. Ein Blick der GfK in die unmittelbare Zukunft zeigt ein positives Umfeld. Ja, die Firmen stehen nach wie vor vor Herausforderungen, es ist ihnen aber weitestgehend gelungen, sich und ihre Dienste als Partner der Künstlerinnen und Künstler im digitalen Zeitalter so zu präsentieren, dass das alte Bild einer Branche, die ihre Rolle sucht und das einige in der Urheberrechtsdebatte jetzt wieder aus der Mottenkiste herauskramen wollten, längst an der Realität abprallt. Für die, die es nicht glauben, aber sich für die Branche interessieren: Das Vorbeischauen bei unseren Mitgliedern lohnt sich.

 

Gerade weil wir aus Erfahrung wissen, dass die Veränderungen immer weitergehen werden und weil wir als Branche genau dafür offen waren und sind, ist es umso wichtiger, die Spielregeln im digitalen Raum klarzustellen. Vor diesem Hintergrund war die Verabschiedung der Richtlinie ein sehr großer Schritt, denn hier wurde ein wesentlicher Punkt deutlich gemacht, siehe oben: die Verantwortung von aktiven Plattformen.

 

Ich möchte Sie nicht mit 149 Seiten Rechtsprosa nerven, hier aber sei ein kleiner Auszug aus den Erwägungsgründen der RL (Abs. 2 der Präambel) erlaubt:

 

„Die bestehenden Richtlinien über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte tragen zum Funktionieren des Binnenmarktes bei, gewähren Rechteinhabern ein hohes Maß an Schutz, erleichtern die Rechteklärung und bieten einen Regelungsrahmen, in dem Werke und sonstige Schutzgegenstände verwertet werden können. Dieser harmonisierte Rechtsrahmen trägt dazu bei, dass der Binnenmarkt ordnungsgemäß funktioniert, und schafft Anreize für Innovation, Kreativität, Investitionen und die Produktion neuer Inhalte, auch im digitalen Umfeld, damit die Fragmentierung des Binnenmarktes verhindert wird. Der von diesem Rechtsrahmen gebotene Schutz leistet zudem einen Beitrag zu dem Ziel der Union, die kulturelle Vielfalt zu wahren und zu fördern und gleichzeitig das gemeinsame kulturelle Erbe Europas hervorzuheben.“

 

Ich würde für uns in Anspruch nehmen, dass wir als Branche diese Gedanken so unterschreiben. Dabei sei eines betont: Es ging in den vergangenen Jahren bei der Auseinandersetzung um die Reformierung des Urheberrechts nicht darum, „die andere Seite zu besiegen“. Manche verstehen offenbar nicht, dass Demokratie auch das Ringen um Kompromisse bedeutet. Uns zumindest war stets klar, dass es zu einem solchen kommen würde und ein solcher liegt hier nun vor. Um an dieser Stelle auch ein zweites zu betonen: Der Berichterstatter Axel Voss hat hier im Sinne einer Kompromissfindung sehr gute Arbeit geleistet – unterstützt von einigen Politikerinnen und Politikern, die ich jetzt nicht namentlich nenne. Ich habe auch aus dem Kreis der hier Anwesenden regelmäßig fassungslose Anrufe erhalten mit Blick auf die aggressive Kampagne und die Drohungen gegen seine Person. Die Verächtlichmachung und die Häme sind inakzeptabel und zeigen leider, welches Verständnis beim Definieren von Normen insbesondere in den Social Media-Kanälen bei Vielen vorherrscht.

 

Wo stehen wir also heute?

 

Wir sind als Branche vorbereitet auf die weiteren Veränderungen des Markes. Wir sind vorbereitet auf die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht. Und wir stehen für jede fachliche und sachliche Auseinandersatzung in diesem Kontext zur Verfügung – wie in der Vergangenheit. Die fachliche Diskussion sollte jedoch auf der Basis des geltenden Rechts geführt werden und sich nicht auf Floskeln wie „bessere neue Geschäftsmodelle“ und wundersame Herleitungen von Vergütungen beschränken. In der Implementierungsphase werden sich neu aufgebrühte Kulturflatrate-Träume hoffentlich sehr schnell ausgeträumt haben. In vielen Fällen gilt der alte Jura-Professorenspruch eben auch heute noch, nämlich: „Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!“ Ich denke daher, es ist im Interesse aller, die Umsetzungsdiskussionen nicht zu einem Ausflug in ein digitales Wolkenkuckucksheim zu nutzen, das wir doch eigentlich längst verlassen haben!

 

Im Übrigen sind wir es als Branche gewohnt, Trends zu identifizieren und Brücken zu bauen über die Grenzen von Genres und Formaten hinaus. Als Verband werden wir gerade nach den letzten Wochen hier nun eine noch aktivere Rolle einnehmen. Unter anderem, indem wir Brücken in Richtung solcher Unternehmerinnen und Unternehmer schlagen, die mit Musik am Markt neue Wege gehen wollen. Deshalb werden wir ab Mai regelmäßig ein Music Founders‘ Breakfast in kleinem Kreis veranstalten. Jeder, der sich dazu zählt, ist herzlich willkommen. Ausgenommen die, die sich einzig und allein über „Kill the Middleman“ austauschen möchten und damit die Labels meinen.

 

Gemeinsam können wir viel erreichen!

 

Übrigens auch, wenn wir am 26. Mai ein neues Europaparlament wählen. Als Branche möchten wir Sie alle unbedingt ermuntern, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch das ist ein wichtiges Signal dieser Kulturkonferenz. Ganz im Sinne des von der EU geprägten Claims „Music Moves Europe“ sollten wir gemeinsam dafür sorgen, dass Musik Europa auch in Zukunft bewegt.

 

Vielen Dank und viel Spaß!