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Sigrid Herrenbrück
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Guido Evers zu "Beat17"

Das Projekt Beat17, durch das auf trackbezogene Abrechnung umgestellt wird, ist immer noch in der Umsetzungsphase und den BVMI erreichen viele Nachfragen aus der Mitgliederschaft. An welcher Stelle stehen Sie mit dem Projekt?

Mit dem Projekt Beat17 ist ein umfassendes Modernisierungsprogramm verbunden. Dazu gehört der vollständige Austausch und die Erneuerung der IT-Systeme der GVL ebenso wie zeitgemäße Anpas-sung der Arbeitsprozesse und die Vollendung des Künstlerabrechnungs- und Verteilungssystems sowie die Umstellung der vorrangig Labelcode-basierten Herstellerverteilung auf ein hochdifferenziertes System der Einzeltrackabrechnung. Wir sind einerseits froh, dass wir die erheblich gesteigerten Anforderungen der neuen Gesetzeslage mit dem Verwertungsgesellschaftengesetz noch in die bereits laufende Projektplanung- und -umsetzung integrieren konnten. Die damit verbundenen gesteigerten zeitlichen Anforderungen konnten jedoch nur unter größten Anstrengungen mit den technischen Entwicklungsschritten synchronisiert werden, was zu einer Reihe von Nacharbeitungserfordernissen auch für 2018 geführt hat. Auch die eingetretenen Verzögerungen in den Verteilungsläufen sind letztlich diesem Umstand geschuldet. Außerdem sind die ersten Durchläufe neuer und in diesem Fall hochkomplexer Systeme in ihrem Zusammenspiel unvermeidbar mit der Beseitigung von einer Vielzahl von Fehlern in den Abläufen und der Programmierung verbunden, den sog. Kinderkrankheiten. Dies ist kein Spezifikum der GVL-Erneuerung. Hätten wir ein Jahr mehr Zeit zur Verfügung gehabt, wäre der schrittweise System-Start natürlich ausgereifter und geschmeidiger verlaufen. Aber das Gesetz sieht keine entsprechenden Übergangsfristen vor und unsere höchste Priorität ist die Verteilung der eingenommenen Vergütungen. Daher ist es sehr erfreulich, dass die GVL an ihre Berechtigten in dieser herausfordernden Phase die höchsten Ausschüttungen ihres fast 60-jährigen Bestehens vornehmen konnte und die Hersteller innerhalb von zwölf Monaten etwa das Dreifache einer Regelverteilung erhielten. Dies auch im Hinblick auf die mit der Systemerneuerung verbundenen erheblich gesteigerten Kosten der laufenden Jahre.

Worin bestehen die besonderen Herausforderungen des Prozesses für alle Beteiligten?

Für die Mitarbeiter der GVL hat sich die Arbeitslast über einen mittlerweile relativ langen Zeitraum erheblich erhöht, da die zusätzliche Projektarbeit neben der weiterlaufenden Linientätigkeit geleistet werden muss. Die komplexen Funktionalitäten der Tätigkeit einer Verwertungsgesellschaft sind derart überwiegend speziell und individuell zu gestalten und zu entwickeln, dass hierfür keine Standards oder IT-Lösungen von der Stange existieren, so dass es der besonderen Expertise der GVL-Mitarbeiter in jeder Phase der Projektdurchführung bedarf. Unsere Berechtigten begleiten und verbessern diesen Prozess natürlich auch aktiv durch ihre Rückmeldungen, die wir kontinuierlich und bestmöglich in der laufenden Umsetzung berücksichtigen.

Für die Record Companies und Labels stellt sich eine besondere Herausforderung darin, dass erstmalig die vollständige Anmeldung des eigenen Repertoires einschließlich der Informationen über Rechte-inhaberschaft erforderlich war und laufend weiterhin sein wird, weil die GVL im Rahmen des Labelcode-Systems auf solche Informationen nicht angewiesen war und daher entsprechende Datenbanken nicht in der jetzt erforderlichen Weise gepflegt wurden. Diese Anforderung und auch die neuartige Konfliktlösung sind ungewohnt und sorgen für einen erheblichen Aufwand auch auf Seiten der Firmen gerade in der Initialphase, in der sämtliche Daten erneuert werden müssen. Zusätzliche Repertoireanmeldungen, die jederzeit möglich sind, können neue Konflikte mit bereits geklärtem Repertoire erzeugen, sodass es einer laufenden Überwachung und Aktualisierung des eigenen Repertoires bedarf.

Welche Rückmeldungen der Hersteller erreichen Sie zu dem neuen System?

Grundsätzlich wird die Modernisierung und Erneuerung der GVL und ihrer Systeme begrüßt, gerade auch im Hinblick auf die Präzision der Abrechnungen über die Detailreports, aber auch bezogen auf die zunehmend verbesserte Benutzerfreundlichkeit. Natürlich bestehen gerade in der Übergangspha-se und trotz der umfangreichen Abschlagszahlungen große und verständliche Sorgen hinsichtlich der zeitgerechten Vergütungszahlungen, da der gewohnte Jahresrhythmus zunächst unterbrochen scheint. Gerade in der Anfangsphase sind die umfangreichen erforderlichen Repertoireanmeldungen für viele Labels ein organisatorisches und auch kapazitäres Problem gewesen. Wir nehmen gerade die kritischen Rückmeldungen sehr sorgfältig auf, analysieren und prüfen sie und führen entsprechend laufende Systemanpassungen und -verbesserungen durch, die dann für die künftigen Verteilungen nutzbar werden, damit sie sich nicht wiederholen. Und natürlich gibt es bei vielen Herstellern Einzel-und Sonderfragen, um die sich unser Support, geführt von Dirk Löwenberg (label@gvl.de), eingehend kümmert unter Einbeziehung der verschiedenen Fachabteilungen der GVL, wo immer dies erforderlich wird.

Für 2016 gab es bisher zwei Verteilläufe und bereits eine Abschlagszahlung -  wie und wann geht es für die Herstellerseite weiter?

Die nächste Verteilungsrunde für das Jahr 2016 wird wie bereits mehrfach angekündigt Ende Juni stattfinden. Gegenüber den bisherigen Verteilläufen wird sich hier nochmals ein ganz erheblicher Sprung nach vorn ereignen, der dann in den entsprechenden Detailreports sichtbar wird. Dies kann je nach Stand der Konfliktklärung und der Repertoireanmeldung für Firmen individuell unterschiedlich ausfallen. Angesichts immer noch fehlender Repertoireanmeldungen und -zuordnungen werden wir aber keine Vollverteilung von 100 % erreichen.

Das Gesetz sieht vor, dass wir in den beiden Folgejahren nach einem Verteilungsjahr aktiv an die Berechtigten herantreten und versuchen, Repertoirelücken zu schließen. Wir tun dies bereits jetzt laufend. Die Vergütungen, die nach Ablauf von drei Jahren noch nicht der Verteilung zugeführt werden konnten, werden sodann in einer so genannten Schlussverteilung pro rata an alle Firmen verteilt, die bis dahin an der Verteilung des betreffenden Jahres teilgenommen haben. Dies wird erstmalig in 2020 der Fall sein für das Nutzungsjahr 2016 und von da an laufend jährlich in diesem Dreijahresrhythmus. Wir werden uns bemühen, für zwischenzeitliche Repertoirenachmeldungen auch zeitnahe Folgeverteilungen unterjährig durchzuführen.

Für die Hersteller ist der Abschied von der Labelcode-basierten Verteilung also zugleich verbunden mit einem veränderten Verteilrhythmus, übrigens auch mit der Vorverlagerung der Jahreserstvertei-lung auf das Septemberende statt wie früher im Dezember. Entsprechend wird im September dieses Jahres die Tonträgererstverteilung 2017 erfolgen, ergänzt um die Videoverteilungen für die Jahre 2016 und auch 2017.

Welche Rolle kommt in dem neuen System dem Labelcode zu und welche dem ISRC?

Der ISRC ist international der für das Musikgeschäft zentrale Identifikator. In dem besonderen, prak-tisch nur in Deutschland und Österreich praktizierten Labelcode-System spielte der ISRC bis dato jedoch nur eine untergeordnete Rolle neben EAN oder Katalognummern aus dem PhonoNet-System. Entsprechend wurde bei den Sendenutzungsmeldungen keine gesteigerte Beachtung auf das jeweili-ge Vorhandensein eines ISRC gelegt. Für die Verteilungszwecke der GVL war dies keine zwingende Notwendigkeit. Diese Situation hat sich geändert, der ISRC spielt eine weitaus größere Rolle als bisher. Wir haben durch Datenzusammenführungen in den Systemen der GVL die historisch bedingt viel zu geringe ISRC-Quote in den Sendemeldungen beträchtlich erhöhen können; zugleich wurden die Sender aufgefordert, dies in ihrem Meldeverhalten entsprechend zu berücksichtigen.

Leider wird der ISRC in der Praxis nicht immer so eindeutig verwendet, wie es bezweckt ist. Wir haben deshalb auf Wunsch vieler Firmen relativ kurzfristig den CDH (Claim Dispute Handler) für ein reines ISRC-Matching geöffnet, was zu einer recht hohen Anzahl neuer Repertoirekonflikte geführt hat, die allein durch die hunderttausendfache Doppel- oder Mehrfachverwendung des ISRC in der Vertriebspraxis entstehen. Diese zusätzliche Konfliktklärung wird möglichen Verzerrungen in der Nutzungszuordnung vorbeugen und die Ergebnisse des anstehenden Verteillaufs deutlich verbessern, vorausgesetzt, dass die Firmen ihre Repertoirekonflikte auch zeitgerecht klären.

Der Labelcode wird in dieser Initial- und Übergangsphase des Systemwechsels noch einmal verstärkt als zusätzlicher Identifier in die Datenmatchingprozesse einbezogen. Zugleich etablieren wir eine zusätzliche GVL-ID, die in naher Zukunft gemeinsam mit der in der Implementierung begriffenen Fingerprinting-Technologie die Eindeutigkeit im Datenaustausch zwischen allen Beteiligten (Sendern, Herstellern und der GVL) auf dem erforderlichen Niveau gewährleisten wird. Entsprechend wird der Labelcode in den kommenden Jahren an Bedeutung verlieren.

Wie werden Label-/Repertoirewanderungen ins neue System integriert?


Bei Veränderungen, die die Rechteinhaberschaft an einzelnen Tracks, Katalogen oder Labels betref-fen, ist die GVL weiterhin auf entsprechende Informationen der Firmen angewiesen, die uns möglichst zeitnah erreichen sollten, um eine zutreffende Verteilung zu gewährleisten. Label- und Repertoirewanderungen können uns dabei aber komplett im Self-Service gemeldet werden, indem der neue Rechteinhaber das übernommene Repertoire über label.gvl hochlädt. Liegt das übernommene Repertoire der GVL bereits vor, zieht der ursprüngliche Rechteinhaber seine Rechteinhaberschaft für die dadurch in Konflikt geratenen Aufnahmen zurück und sorgt so für eine korrekte Datenlage bei der GVL. Unsere Konflikterkennung hat in vielen Fällen schon bei der eindeutigen Rechteinhaberschaftsklärung zu schnellen und vereinfachten Lösungen geführt.

Erhalten die TTH zur Abrechnungsprüfung entsprechende Detailreports und gibt es bei gravie-renden Abweichungen die Möglichkeit der Korrektur unmittelbar danach?

Die Herstellerverteilung der GVL wird auf der gesetzlichen Grundlage des VGG für jedes Nutzungsjahr eine Erstverteilung im September des Folgejahres vorsehen sowie mehrere Folgeverteilungen bis hin zu der Schlussverteilung nach Ablauf von drei Jahren. Wir werden künftig ein großes Gewicht darauf legen, einen ganz überwiegenden Teil der Vergütung für das betreffende Jahr bereits in der erstmaligen Verteilung auszuschütten. Dies hängt natürlich wesentlich von der Vollständigkeit der Repertoireanmeldung, der zeitgerechten Konfliktklärung und der Zulieferungsqualität der Sendedaten ab. In den nachfolgenden Verteilläufen werden die Detailreports für das betreffende Jahr jeweils aktualisiert und an den Ausschüttungsstand angepasst. So werden jetzt im Juni 2018 die bereits erfolgten Abschlagszahlungen und Ergebnisse der vorangegangenen Verteilläufe ergänzt und weiter vervollständigt. Korrekturen werden also zu jedem neuen Verteillauf automatisch berücksichtigt und fließen dann auch in die kumulierten Detailreports ein.

Ab wann rechnen Sie mit einem „Normalbetrieb“, bei dem alle Beteiligten wissen, was auf sie zukommt, sowohl im Hinblick auf die Erfordernisse als auch im Hinblick auf die Ausschüttungen?

Ich gehe davon aus, dass wir im laufenden Geschäftsjahr, nachdem all die vielen Verteilerereignisse auf der Hersteller- und der Künstlerseite initial einmal vollständig durchgelaufen sind, ein regelmäßiger Verteilrhythmus ohne die bisherigen technisch bedingten Verzögerungen eingehalten wird. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, auch die nachhaltige Verbesserung der Qualität der Millionen von Datensätze, die in den Systemen der GVL laufend zu verarbeiten sind, auf ein optimales Niveau zu bringen. Dies liegt im originären Interesse aller Beteiligten, der Hersteller ebenso wie der Sender und wird auch von den Verbänden, unterstützt durch PhonoNet, nach Kräften begleitet. Mithilfe des Einsatzes von Fingerprinttechnologien dürfen wir in der nahen Zukunft gerade hier erhebliche Fort-schritte erwarten. Zudem werden die zu verarbeitenden Datenmengen nach unseren Erwartungen deutlich zurückgehen, nachdem die erste Phase des Systemwechsels verarbeitet ist, so dass die Performance und Verarbeitungsgeschwindigkeit in unseren Systemen erheblich zunehmen wird.

Uns ist bewusst, dass wir einen sehr komplexen und facettenreichen Veränderungsprozess in relativ kurzer Zeit durchführen müssen, der die Geduld und Veränderungsbereitschaft vieler tausender Be-rechtigter und auch unserer Mitarbeiter auf eine harte Probe stellt. Die Früchte, die wir – neben der Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen – durch schnellere und zeitnahe Verteilungsdurchführun-gen und detailgenaue Abrechnungen ernten werden, rechtfertigen diesen Einsatz.

 

 

 

Guido Evers ist im September 2009 in die Geschäftsleitung der GVL eingetreten.