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Sigrid Herrenbrück
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Bitte nicht einen Schritt vor und zwei zurück

 

Das deutsche Urheberrecht ist mittlerweile ein halbes Jahrhundert alt. Vor zwei Wochen  wurde dieses Jubiläum mit einer hochkarätig besetzten Konferenz in Berlin gewürdigt. Die Veranstaltung beschäftigte sich mit der „Zukunft des Urheberrechts“, aber natürlich ging der Blick vieler Rednerinnen und Redner immer wieder auch in die Vergangenheit. Und das ist richtig so, denn wie so oft stimmt auch und gerade bei diesem Thema die berühmte Sentenz des Philosophen Odo Marquard: „Zukunft braucht Herkunft“. Viel zu oft wird in einer oft emotional geführten Debatte vergessen, warum es das Urheberrecht überhaupt gibt – und welch egalitärer Geist ihm innewohnt, allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz: Denn natürlich entsteht Kunst nicht durch das Urheberrecht. Aber es schützt sie und ermöglicht damit denjenigen, die Kunst erschaffen, und den Partnern, die sie sich dabei auswählen, mit diesen Werken auch Geld zu verdienen, also an der Wertschöpfung der von ihnen erschaffenen Inhalte zu partizipieren.

Ich habe einige der Einlassungen rund um den großen Geburtstag des Urheberrechts mit Skepsis zur Kenntnis genommen. Denn in der aktuellen Diskussion wird viel über ‚Vergütung‘ geredet, die ökonomische  Analyse des jeweiligen kreativen „Playgrounds“ spielt jedoch eine eher geringe Rolle. Das erinnert an die Zeiten der großen Debatte um die Kulturflatrate, damit machen wir einen Schritt vor und zwei zurück.

Ich habe bei der Konferenz erläutert, warum die rein kollektivrechtliche Bereitstellung kreativer Inhalte nach meinem Dafürhalten an der Realität vorbei geht und ökonomisch der falsche Ansatz ist. Zum einen wird bei allen Diskussionen über das Urheberrecht häufig ausgeblendet, dass es dabei doch um die Persönlichkeit des Künstlers und des Kreativen geht, der ein individuelles schöpferisches Talent hat und damit auch individuelle Verantwortung für sein Werk. Es kann schlicht nicht jeder einen Song wie „Yesterday“ schreiben oder Beethovens Fünfte komponieren. Die gute Nachricht ist: Es muss auch nicht jeder können! Aber die, die es tun, müssen von uns als Gesellschaft geschützt werden. – Denn gerade für eine kreativ vielfältige und lebendige digitale Ökonomie, und dies ist m.E. ein zweiter entscheidender Punkt, ist die individuelle kreative Qualität unerlässliche Voraussetzung. Wir haben, was die technische Infrastruktur angeht, mittlerweile überall relativ vergleichbare Angebote. Alleinstellungsmerkmale entstehen nur über exklusive Inhalte. Eine digitale Ökonomie in einer technikneutralen Umgebung kann deshalb nicht ohne Exklusivrechte funktionieren, weil kein Wettbewerb und keine Vielfalt erzeugt würden. Mit anderen Worten: Digitale Ökonomie ist ohne individuelle Kreativität nicht realisierbar.

Die Frage, die sich alle in das Thema Urheberrecht Involvierten stellen müssen, ist doch:„Glaubt man an einen Markt oder nicht?" bzw. „Will man einen Markt schaffen oder nicht?" Beantwortet man diese Frage mit JA, kann man sich weder der Tatsache, dass Kreativität eine individuelle und keine kollektive Begabung ist, noch der Prämisse der Exklusivrechte verschließen. Beides wäre auch ein deutliches Zeichen des Respekts vor der Leistung der Kreativen und ihrer Partner – der sich darüber hinaus auch in deutlich verbesserten Möglichkeiten zur effektiven Durchsetzung bereits bestehender Rechte im Netz äußern sollte. Digital ist eben nicht anders.