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Achte BVMI-Kulturkonferenz aus dem FUTURIUM
Massive Branchenkritik am Urheberrechtsentwurf, klare Erwartungen bei der Pandemiebekämpfung, Einblicke in AI und VR und die nahe Zukunft auf politischer Ebene
Bei der Eröffnung der achten Kulturkonferenz des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) am Dienstag in Berlin ist die Branche mit der geplanten Urheberrechtsreform noch einmal hart ins Gericht gegangen. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Florian Drücke bezeichnete den deutschen Ansatz in der Eröffnung als „heftigen Tritt gegen das digitale Standbein der Branche“, der die Kreativen und ihre Partner:innen teilentmündigen und gravierend in die Realitäten der Lizenzbeziehungen eingreifen werde. Diese Tragweite unterstrich auch Patrick Mushatsi-Kareba, CEO Sony Music GSA: „Es geht um die Rahmenbedingungen für unsere Branche, es geht um geistiges Eigentum, es geht um alles!“ Er machte dabei in seiner Keynote noch einmal deutlich, dass das Label als Partner der Künstler:innen kein Konstrukt von gestern ist: „Die Aufgaben eines Labels sind im digitalen Zeitalter mehr statt weniger geworden.“
Die Konferenz war überschrieben mit der Fragestellung: „Musikindustrie 2021 – wohin geht die Reise?“ Sie fand in diesem Jahr als Livestream aus dem Berliner FUTURIUM statt.
Das erste Panel im Anschluss an die Keynotes resümierte die Anhörung des Rechtsauschusses im Bundestag. Unter der Überschrift „DSM-Richtlinie: Aktueller Stand und wie es von hier aus weitergeht“ diskutieren die Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling (CDU) und Marianne Schieder (SPD) mit dem Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christoph Möllers und dem Musiker und Musikautor Markus Rennhack, moderiert von René Houareau, Geschäftsführer Recht & Politik des BVMI. Er wies noch einmal auf die massive Kritik am vorliegenden Entwurf auch von Künstler:innen-Seite hin und stellte die Frage, ob die Politik hier zuhöre. Markus Rennhack kritisierte unter anderem: „Mit dem Schreckgespenst des Eingriff in die Meinungsfreiheit werden immer mehr Ausnahmen und Vermutungstatbestände geschaffen, die eigentlich alle darauf hinauslaufen: so viele Inhalte wie möglich auf den Plattformen, so wenig wie möglich erstmal prüfen müssen; alles muss sofort verfügbar sein.“ Christoph Möllers stellte fest, in der analogen Welt würde man „etwas nie so regeln, wie es nun im Urheberrecht gemacht werde.“ Es dürfe keine Trennung in analoges und digitales Urheberrecht geben, sagte dazu Ansgar Heveling, Mitglied im Rechtsausschuss. Während Marianne Schieder darauf hinwies, es gehe im Gesetzgebungsprozess um den Ausgleich aller Interessen, versicherte Ansgar Heveling mit Blick auf die weitere Bundestagsbefassung: „In der parlamentarischen Beratung müssen wir jetzt genau gucken, ob die Rechteketten richtig zugeordnet sind.“
Das zweite Panel beschäftigte sich mit der Verfassung der „Musikwirtschaft in Deutschland nach 12 Monaten Ausnahmezustand“ unter der Moderation von Musiker und Autor Jan Kage. Die LiveKomm-Vorständin und Clubbetreiberin Pamela Schobeß wies darauf hin, dass Bundeshilfen allein nicht reichen. „Wir sind bis Juni mehr oder weniger abgesichert. Aber niemand weiß, wie es weitergeht. Für uns ist klar: Wir brauchen weiter Unterstützung, sonst bricht alles zusammen.“ Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), forderte mit Blick auf die Wirksamkeit bisheriger Kulturhilfen: „Wir brauchen ein Sonderprogramm. Sicherlich gibt es einige vorbildliche Angebote im internationalen Vergleich, doch pauschale Hilfen passen nicht zur hart getroffenen Veranstaltungsbranche.“ Positiv ist aus Sicht von Birgit Böcher, Geschäftsführerin des Deutschen Musikverleger-Verbandes (DMV), das Zusammenfinden der musikwirtschaftlichen Verbände zum Forum Musikwirtschaft im vergangenen Jahr, „um die Branche gemeinschaftlich vor der Politik repräsentieren zu können. Doch unterstrich sie, dass die Rahmenbedingungen für die Branche geändert werden müssten, auch beim Urheberrecht: „Die Musikwirtschaft möchte weniger von Fördergeldern leben als von dem, was sie macht.“ Mit Blick auf die Situation des Einzelhandels führte Lilli Stock, Geschäftsführerin und Miteigentümerin von Just Music, aus: „Wir haben die Multi-Channel-Strategie bereits seit Jahrzehnten verfolgt, aber unsere Branche lebt im Kern nun mal vom physischen Erlebnis.“ Zur Perspektive der unabhängigen Plattenläden befand Jan Köpke, Koordinator des Record Store Day GSA, dass Vinyl gegen den Trend physischer Tonträger zwar weiter wachse, dass aber „Nachfrage, die einmal online abgewandert ist, nur schwer wieder in den stationären Handel zu bringen ist. Das muss mitgedacht werden bei allen Strategien.“
Teil drei der Kulturkonferenz wurde eingeleitet von Prof. Dr.-Ing. Sebastian Stober. Der interdisziplinäre Forscher und Professor für Intelligente Kooperierende Systeme an der Universität Magdeburg lieferte mit seinem Exkurs Einblicke in den Themenkomplex Künstliche Intelligenz. Unter dem Titel „Mythos KI – Einblicke in die aktuelle Forschung und mögliche Relevanz für die Kreativwirtschaft“ wurden dabei wesentliche Zusammenhänge zwischen maschinellem Lernen, Musik-Information und kognitiver Neurowissenschaft deutlich, die auf mögliche Perspektiven für die Musikindustrie hinwiesen.
Das dritte Panel widmete sich anschließend der Frage, wieMusik in Zukunft produziert, genutzt und live erlebt wird. Moderator Jan Kage diskutierte dafür zunächst mit International Artist Managerin, Music Consultant und IMUC-Vorständin Tessy Schulz die Zukunft von VR für die Live-Branche. Schulz wies dabei auf die Chancen von Formaten wie Online-Konzert und Avatar-Persona hin, machte aber auch klar, dass diese die Körperlichkeit von Real-Erlebnissen aus ihrer Sicht nicht ersetzen können. Mit Blick auf die Bühnenhäuser betonte Matthias Schulz, Intendant der Staatsoper Unter den Linden, die Notwendigkeit einer Kombination aus analog und digital. „Es muss eher darum gehen, dass man VR zur Unterstützung von Kunstformaten nutzt, nicht zur Auflösung dieser.“ Jovanka von Wilsdorf, Gründerin des DIANA AI Song Contests und Vorständin von Music Women* Germany, appellierte unterdessen an die Offenheit gegenüber neuen Techniken und wies auf kreative Möglichkeiten der KI-Nutzung innerhalb der Musikproduktion hin. „Mir geht es darum, Vorurteile abzubauen. Musiker:innen müssen sich damit befassen, sonst werden sie irgendwann nicht wissen, was sie am Kopf trifft.“
Die Kulturkonferenz endete mit einer Sneak-Preview, einem Austausch für die Branche auf politischer Ebene, moderiert von Julia Köhn, Projektleiterin Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Claudia Dörr-Voß, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sagte, dass es jetzt darum gehe, die Strukturen der Branche für die Zukunft krisenfester aufzustellen und resilienter zu machen. Mit Blick auf die Hilfen des Bundes sagte sie: „Ich glaube, die Sorge, dass die Hilfe ausläuft, ist unberechtigt.“ Joe Chialo, Executive Vice President A&R Universal Music Central Europe & Africa und zugleich CDU-Bundestagskandiat, betonte, für die Branche seien unter anderem Bürokratieabbau bei den Corona-Hilfen und insgesamt eine Perspektive entscheidend. Er schloss sich beim Thema Urheberrecht darüber hinaus dem Europaabgeordneten Dr. Christian Ehler, MdEP, EVP/CDU, an, der deutliche Kritik am deutschen Gesetzentwurf zur Umsetzung der DSM-Richtlinie übte: „Wir sehen mit großer Sorge auf die Umsetzung in Deutschland. Wer mit kreativer Leistung Gewinn macht oder davon leben kann, hat entscheidend damit zu tun, dass wir das Ungleichgewicht zwischen den Kreativen und den großen Plattformen wieder zugunsten der Kreativen ausrichten.“ Man habe auf europäischer Ebene diesbezüglich einen „riesigen Sieg“ errungen. „Nun sehen wir mit großer Sorge, dass die Umsetzung in den Mitgliedstaaten das zum Teil verwässert.“